Über Permakultur

Permakultur ist ein ganzheitlicher Ansatz, der Ende der 70er Jahre in Australien entwickelt wurde. Bill Mollison und David Holmgren gelten als die „Geburtshelfer“ der Permakultur. Ursprünglich ist „Permaculture“ aus der Idee heraus geboren, dass statt der ausbeuterischen, die Ressourcen degenerierenden Landwirtschaft (Agriculture) eine Ressourcen regenerierende und damit dauerhafte (permanente) Produktion von Lebensmitteln möglich sein muss (also eine „permanent Agriculture“ = „Permaculture“).

Schnell wurde aber klar, dass ein ganzheitlicher Ansatz nicht beim dem Aspekt der Landwirtschaft oder der Lebensmittelproduktion stehen bleiben kann. Und so geht es bereits in der ersten Veröffentlichungen ebenso um Architektur, Energie, Ökonomie, Vergemeinschaftung, Wiederaufforstung von degenerierten Landstrichen – kurz – um nicht mehr und nicht weniger als die Vision eines grünen, gesunden, lebendigen Planeten in dem der Mensch ein nützlicher Teil des Ganzen ist. Eben eine „Permanent Culture“ = Permaculture.

Das Konzept schlug schnell große Wellen. Bill Mollison erhielt dafür schon 1981 den alternativen Nobelpreis. Mehr oder weniger gleichzeitig entwickelte ein rebellischer Lungauer Bergbauer namens Sepp Holzer ein ganz ähnliches Konzept ohne je etwas von den Australiern und ihrer Idee gehört zu haben. Nichts ist eben kraftvoller als eine Idee deren Zeit gekommen ist …

Das, was viele Menschen – und auch uns – am Permakultur-Ansatz begeistert, ist, dass es nicht bei der Vision bleibt. Es ist nicht eines der vielen theoretischen Konzepte, nicht ein „man müsste mal“ oder ein „man könnte doch“ sondern herrlich konkret: Konkrete Methoden, konkrete Gestaltungsansätze, konkrete Lösungen. (Fast) nichts davon ist neu. (Fast) alles kopiert. Von der Natur selbst, vom Know How und der Praxis indigener Völker (noch existierender ebenso, wie den Völkern, die leider bereits der Geschichte angehören) und manchmal auch schlicht vom gesunden Menschenverstand unserer (Ur-)Großmütter und (Ur-)Großväter. Vereinfacht: Permakulturschaffende schauen auf die natürlichen Prozesse und darauf, wie die Spezies Mensch es in der Geschichte geschafft hat und in der Zukunft schaffen kann, wertvoller, gestaltender und erhaltender und erneuernder Teil dieser Prozesse zu sein.

Das heißt: Es bringt viiiiiiiiel! In der Permakultur beginnt man im Kleinen und geht ins Große. So mache ich das jetzt auch bei meiner Auflistung: Es bringt den Mikroorganismen und Tieren im Boden einen Lebensraum, der sie zum Jauchzen (und zum Vermehren) bringt. Es bringt allen Pflanzen natürliche und gesunde Nährstoffe in Hülle und Fülle. Es bringt allem tierischen, das auf der Erde in der Luft und im Wasser kreucht und fleucht einen Garten Eden oder eine Nummer kleiner: Ein Umfeld in dem zu Leben einfach Freude macht. Richtig: Bei „tierischem das auf der Erde kreucht und fleucht“ sind wir Menschen auch schon dabei. Die Methoden, das Wissen, die Herangehensweise der Permakultur zielen darauf ab, dass auch wir als Menschen genauso wie jede Pflanze, jeder Regenwurm, jede Amöbe und jeder Ameisenbär nicht nur das Recht auf ein gutes, lebenswertes Leben haben sondern auch die Möglichkeit und die Pflicht uns genau darum  – gemeinsam – zu kümmern.  Kurz: Permakultur dient dem Lebendigen, damit das Leben entstehen kann. Zu abgehoben? Ok. Permakultur schafft dauerhaft zukunftsfähige Lebensräume.

Was macht ein Permakulturschaffender? Die konkreten Methoden, die in der Permakultur Verwendung finden, sind so vielfältig, dass wir das hier nur in Überbegriffen anreißen können.

Die wesentlichen Maßnahmen:
  • Erosion von Ressourcen (Wasser, Humus, Biomasse, Energie, …) verhindern
  • für maximal hohe Diversität in der Tier- und Pflanzenwelt sorgen, weil nur komplexe Systeme resilient sind
  • Nischen schaffen in Raum und Zeit um maximal viele verschiedene Lebensräume zu schaffen
  • standort- und situationsangepasst handeln und immer wieder anpassen. Es gibt nicht DIE eine Methode, DIE eine Lösung. Was richtig ist bestimmen die Umstände

Wichtiger als einzelne Maßnahmen ist die grundlegende Herangehensweise.
Ein Permakultur-Schaffender schließt Kreisläufe nach dem Vorbild der Natur. Deswegen ist das tiefe Beobachten natürlicher Prozesse eine der Kernaufgaben. Zum Beispiel den Nährstoffkreislauf: In „Der Natur“ gibt es keinen Müll. Pflanzen werfen Ihre Blätter und abgestorbene Wurzeln ab, Tiere verteilen gerecht ihre Exkremente zu Lebzeiten und gehen selbst in den ewigen Kreislauf des Werdens und Vergehens ein, wenn sie das Zeitliche gesegnet haben. Alles ist Biomasse und alles wird zu Ressource für das was kommt. So do we. Wir versuchen also keinen Müll zu produzieren. Klar, das ist für uns nicht so einfach wie für unseren Baum im Vorgarten. Aber es geht viel: Organischer „Müll“ wandert in den Wurmkompost oder die Biogasanlage (dazu später mehr …) und wird zu Nährstoffen für die Pflanzen, Pappe und Papier sind tolle Füllmaterialien für Hoch- und Lasagnebeete, Plastik versuchen wir (natürlich) zu vermeiden (ein paar Tricks dazu gibt es hier …) und wenns nicht geht, vielleicht gibt’s ja auch Up-Cycling Ideen und für den Rest: Reduce, reuse, recycle ist das Motto. Das Schließen von Kreisläufen umfasst aber auch alle anderen Themen: Energieerzeugung, Wassermanagement, naturnahes Bauen, eine Ökonomie die dem Gemeinwohl dient usw.

Ein Permakulturschaffender arbeitet mit der Natur, nicht gegen sie. Masanobu Fukuoka (einer der Vordenker dieses Ansatzes) sagte: „Wenn wir die Natur beim Fenster hinauswerfen, kommt sie mit einer Mistgabel in der Hand bei der Tür wieder herein.“ Konkret auf unser Handeln übertragen: Wenn wir in einem Jahr einen „Schädling“ – mit welchen Mitteln auch immer – vernichten, stirbt nicht nur der Schädling, sondern auch das „Raubtier“, das sich von diesem Schädling ernährt – sein Fressfeind also – wird stark dezimiert. Dieses „Raubtier“ hat sich aber nicht nur von „Schädling“ A sondern auch von „Schädling“ B, C und D ernährt und so dabei geholfen, die Populationen im Gleichgewicht zu halten. Das Resultat: Im nächsten Jahr haben wir nicht nur ein „Schädlingsproblem“ mit A sondern auch eins mit B, C und D. Deswegen …

… ist einer der Leitsätze eines Permakulturschaffenden: Das Problem ist die Lösung. Dazu möchte ich eine kleine anschauliche, wahre Geschichte aus dem Film „Unsere große kleine Farm“ erzählen:

Die Farmer haben 80 Hektar Land und betreiben eine sehr vielfältige, regenerative Landwirtschaft. In diesem Jahr gibt’s zwei große Probleme: Die Hühner werden ständig in Massen von Hyänen getötet (die Farm ist in Kalifornien) und die Obstbäume sterben reihum, weil eine Wühlmausplage über die Wurzeln herfällt. Held der Geschichte ist ein Hahn namens Charlie (Klar haben auf einer so großen Farm nicht alle Hühner Namen aber Charlie eben schon). Er ist der Lebensgefährte (echt!) von Hausschwein Emma und lebt mit ihr in ihrer Hütte. Und es gibt Zoe und Rosie, zwei (sehr) große, schneeweiße ungarische Hütehunde, die dafür zuständig sind, die Ziegen und Schafe vor Hyänen und anderen Räubern zu schützen. Eines Morgens kommt der Farmer zu Emma und Charlie und findet ein Schlachtfeld vor: Charlie liegt zerfetzt hinter Hausschwein Emmas Hütte. Daneben stehen Zoe und Rosie. Auf Zoes weißem Fell, ihrer Schnauze, ihren Pfoten sind deutlich die Spuren des Massakers zu sehen. Bäääng!! Eine Katastrophe! Die eigenen Hunde haben Charlie getötet!

Gut – hier würde ich gerne einen Schnitt machen. Was ist die Lösung? Die Naheliegendste? Die Hunde müssen weg. Derart aggressive Hunde, die das Gegenteil dessen tun wofür man sie hat – ein NoGo. Der Hund ist also der Schädling. Schädling muss weg. Ganz klar.  Der Farmer im Film, dessen Namen ich leider vergessen habe, ist aber bereits mit permakulturellem Gedankengut infiziert. Und deswegen tut er folgendes: Er tritt innerlich – und vielleicht auch äußerlich – einen Schritt zurück und geht in die Beobachtung. Was sieht er: Den toten Hahn. Zoe blutüberströmt und mit schuldbewusstem Gesichtsausdruck. Aber er sieht noch etwas: Er sieht Rosie, Zoes Schwester, die schneeweiß wie eh und je neben dem Geschehen steht. Sie hat, das verrät eineindeutig ihre „weiße Weste“, nicht das geringste mit dem Tod des Hahns zu tun, mehr noch: sie hat ihn noch nicht mal berührt. Und nun kommt der Satz „Das Problem ist die Lösung“ ins Spiel: Der Farmer erkennt die Chance aus der Situation: Rosie interessiert sich nicht die Bohne für Hühner als Beute. Seit diesem Tag hütet Zoe allein die Ziegen und Schafe (weit weg von den Hühnern) und Rosie hat einen neuen Job: Sie zieht als „Wachfrau“ ins große Hühnergehege. Die Folge: Kein Huhn wird mehr von Hyänen gerissen. Aber dabei bleibt es nicht: Weil die Hyänen die Hühner nicht mehr bekommen, müssen sie ihre Speisekarte erweitern. Die neue Delikatesse: Wühlmäuse. Das Baumsterben hat ein Ende, weil die Wühlmauspopulation von den Hyänen reguliert wird.

Solche unplanbaren Lösungen entstehen nur, wenn man nicht gegen die Natur, sondern mit Ihr geht. Das heißt wir versuchen „nur“ die natürlichen Prozesse zu unterstützen: dadurch, dass wir Lebensräume schaffen, Vielfalt unterstützen, Lebendigkeit fördern und dem natürlichen Prozess des Gleichgewichts vertrauen. Schädlinge werden immer erst dann zum Problem wenn das natürlich Gleichgewicht z.b. durch Monokulturen und kaputte Lebensräume gestört ist.

Ganz einfach für jeden, der in einer lebendigen Beziehung mit seiner Umwelt leben will. Man braucht dafür kein großes Grundstück und schon gar keinen Bauernhof. Permakultur ist eine Lebenseinstellung und ob die sich mit ein paar selbstgezogenen Kräutern auf der Fensterbank, der Blumenwiesenmischung für die Insekten auf dem Balkon, dem reduzieren von Müll, dem züchten von Pilzen im Keller, der eigenen Energieprouktion oder dem anlegen eines essbaren Waldgartens ausdrückt spielt keine Rolle. Die Sache ist nur die: Es macht riesig Spaß und letztlich süchtig. Und deswegen folgt für die meisten nach dem ersten Schritt der zweite und dritte …

Wes Geistes Kind sind Permakulturisten?

Meine (zugegebenermaßen steile) These: Permakulturschaffende sind tief religiös. Jetzt vielleicht nicht direkt christlich, hinduistisch, muslimisch, buddhistisch, jüdisch oder so was. Aber religiös im eigentlichen Wortsinn: Religio bedeutet nämlich Rückverbindung. Auf einem Permakulturprojekt, dass einen gewissen Entwicklungsstand erreicht hat, kann man es sehen, spüren, schmecken, hören und manchmal auch riechen: Alles ist mit Allem verbunden. Und eine religiösere Erfahrung als diese, nämlich Teil des Ganzen zu sein, kann „mensch“ sich wohl kaum vorstellen.

Und auch das ist ein Aspekt, der uns an Permakultur so sehr begeistert: Es spielt keine Rolle: Ob ich es mache weil ich Gottes Schöpfung ehren will, mir den Platz im Nirwana sichern, mein Karma verbessern will oder einfach nur so im Einklang mit meiner eigenen Natur leben will weil es sich richtig anfühlt.

Earth Care – People Care – Fair Share 

Das sind die ebenso simplen wie umfassenden ethischen Prinzipien die Bill Mollison dem permakulturellen Handeln und Denken zu Grunde gelegt hat:

Earth Care.  Earht Care steht nicht zufällig an erster Stelle. Mutter Erde ist kein Supermarkt, keine Selbstbedienungstheke und kein praktisches Ressourcenlager für unsere Bedürfnisse. Unser Planet und sein eingebunden sein in den Kosmos ist Ursprung und Grundlage allen Lebens. Also ist die Fürsorge für seine/ihre Gesundheit selbstverständliche Voraussetzung für alles Leben auf der Erde. Konkret bedeutet das: nähren statt ausbeuten, (wieder)aufbauen statt abbauen, erhalten statt zerstören. Charles Eisenstein bringt in seinem Buch „Klima – eine neue Perspektive“ ein wunderbares Beispiel: Ein Mann sagt zu seinem Nachbarn: Ach weißt Du was, ich hab mir überlegt ich schicke meinen Sohn weg. Irgendwie brauch ihn nicht mehr, macht nur Arbeit und kostet Geld. Welche Argumente führt der Nachbar an um den Vater von seinem Vorhaben abzubringen? Das darf man nicht, das ist verboten. Vielleicht bringt Dir Dein Sohn ja später was, wer soll sich sonst um Dich kümmern wenn Du alt bist. Und vielleicht fallen ihm noch zwei drei Argumente ein warum das keine gute Idee ist. Aber sind das die Gründe warum wir unsere Kinder lieben? Weil es Gesetz ist, weil wir sie später vielleicht mal brauchen??? NEIN, natürlich nicht! Wir lieben sie.  Einfach so. Ohne Grund. Und genau diese Liebe, diese „einfach so“ Liebe, bedingungslos, grundlos, zeitlos. Genau diese Liebe und das liebevolle, fürsorgliche Denken und Handeln das daraus folgt ist es, was Earth Care meint. Unsere Erde ist eine uns und alles Leben nährende Mutter – was ist also naheliegender als sie genau so zu behandeln.

People Care. Eine logische Ergänzung. Sind wir „people“ doch auch ein Teil von Mutter Erde. Und doch vielleicht der schwierigste Auftrag. Der einfachere Teil davon: Leben wir so, dass wir nicht auf Kosten nachfolgender Generationen und nicht auf Kosten des ärmeren Teils des der Menschheit (meist als der globale Süden bezeichnet) leben. Leben wir so, dass ALLEN ein selbstbestimmtes, würdevolles Leben möglich ist. Der – für den in der westlichen Welt sozialisierten Menschen wie es oft scheint noch viel schwierigere Teil ist eine neue Form des Miteinanders: Eine Kommunikation, die Ihrem Namen Ehre macht: Ein sich miteinander Verbinden statt gegeneinander zu kämpfen. Neue Gesellschaftsformen, die echte menschliche Bedürfnisse nach Gemeinschaft, nach Sinn, nach kreativer Entfaltung möglich machen. Eine am Gemeinwohl orientierte Wirtschaft, ein Bildungssystem das Kindern ihre natürlichen lebendigen Fähigkeiten und Bedürfnisse lässt und sie unterstützt ganz in ihre kreative Kraft, in ihre Präsenz zu kommen und ihren Platz im Leben einzunehmen… die Liste ist lang und es gibt viel zu tun. 

Fair Share. „Es gibt genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier“, dieses Gandhi zugeschriebene Zitat verdeutlicht auf einfache Weise die Handlungsmaxime die aus dem ethischen Prinzip Fair Share erwächst. Nimm was Du – wirklich – brauchst und teile den Rest.  Sepp Holzer hat gesagt: Die unteren Äpfel essen die Ziegen, die ganz oben die Vögel und die in der Mitte, die gehören mir. Es geht hier also nicht nur um (und da schließt sich der Kreis) Earth Care – also ich „bediene“ mich an Mutter Erde nur für meine wahren Bedürfnisse und nicht darüber hinaus – nicht nur um People Care – also ich teile meine Überschüsse mit anderen und beute sie nicht aus  – sondern eben auch um das Teilen mit unserer lebendigen Mitwelt.

 

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